Eine grosse Waldlichtung umsäumt von riesigen Fichten. Am anderen Ende führt eine kleine Landstrasse über die Wiese. Die Vögel pfeifen. Der Wind rauscht durch die Äste. Kleine Feuerstellen laden zum Verweilen ein. Wir sind die einzigen hier. Also parken wir Orlando an den Rand der Lichtung, sammeln Feuerholz und richten uns ein.
Pünktlich aufs Abendessen steht eine neugierige Kuh neben unserem Tisch und schaut uns in den Teller. Ihre intensive Nähe verrät, dass sie gerne mal was anderes als Gras zu fressen wünscht. Eine türkische Reisefamilie stellt ihren Camper neben uns auf die Waldlichtung. Sie haben hier vor fünf Jahren ihre Flitterwochen verbracht. Plötzlich stehen zwei Pferde neben unserem Bus. Vielleicht sprechen sie mit Orlando über Pferdestärken. Ein tiefliegender BMW biegt von der Strasse in die Lichtung ein, rast an uns vorbei und verschwindet im Wald. Wir schauen uns etwas verwundert um. Es wird kühl. Wir entfachen ein Feuer. Eine Kuhherde wird von quadfahrenden Hirtenfrauen in traditionellen Pumphosen an uns vorbeigetrieben. Hufgetrappel. Ein einzelnes Pferd kreuzt in gestrecktem Galopp ein entgegenkommendes Cabrio. Dann ist es wieder still. Ein Auto hupt in der Ferne. Wieder galoppierende Pferde. Diesmal sind es vier Pferde mit einer Kutsche. Dämmerung über den Bäumen. Feuerschein auf Orlandos Blech. Die türkische Camperfamilie überrascht uns vor dem Schlafen gehen mit einem leckeren Dessert.
Am nächsten Morgen entdecken wir drei kleine schlafende Hunde unter Orlando. Sie zerkauen Flipflops, unseren Teppich, meine Waden und unser Feuerholz. Wir füttern sie mit Haferflocken und machen uns auf, die Gegend zu erkunden. Wir erreichen eine kleine Hochebene und haben das Gefühl, in der Mongolei zu stehen. Neben uns baden Wasserbüffel im Sumpf als wären wir in Kambodscha. Den traditionellen Cay-Tee geniessen wir in einem einfachen Gasthaus, das uns an eine nepalesische Teestube erinnert.
Als wir zu unserer Waldlichtung zurückkehren, steht ein Brautpaar vor Orlando. Ein Fotograf rückt sie ins richtige Licht, während eine Stylistin am riesigen Brautkleid zupft und ihr Assistent die drei kleinen Hunde in Schach hält. Ein stolzer Polizist reitet hoch zu Ross über die Wiese und grüsst jeden einzelnen von uns. Sein Gruss verbindet alle Anwesenden auf eine skurril-poetische Weise. Es kommt mir vor, als würde hier ein Film von Emir Kusturica gedreht, in welchem reisende Schweizer, mit Hilfe von Google-Translate absurde Dialoge mit türkischen Städtern austauschen, während Kühe, Pferde, Hunde und Katzen durch die Szene laufen. Die nächste Szene: Das Hochzeitspaar, die Stylistin, Mutter, Vater sowie die kleine Schwester der Braut steigen in einen kleinen Fiat Punto und fahren davon. Wie sie alle in diesem kleinen Auto zusammensitzen, besorgt, keine Falten in Brautkleid und Anzug zu machen, hätten wir nur zu gerne dokumentiert. Ich nutze die ruhige Minute, ziehe mich aus und stelle mich hinter Orlando unter die Dusche. Im selben Moment betritt ein Kuhhirt auf seinem Pferd die Bühne. Vor ihm zwölf Kühe, die genau auf den duschenden Schweizer zusteuern. Salam aleikum sagt er. Aleikum asalam. Sag ich.
Vor der Dämmerung gehen wir noch einmal Feuerholz sammeln. Als wir mit dem gesammelten Holz aus dem Wald auf die Lichtung treten, steht das nächste Hochzeitspaar vor Orlando. Und wir dachten: Was für ein idyllischer Ort, Ruhe und Natur Pur!